Der Arbeitsmarkt hat sich nach Corona unerwartet schnell erholt, die Beschäftigung war lange Zeit auf einem Rekordniveau. Angesichts der Rezession seit Jahresende 2023 ändert sich das nun wieder leicht. Und: Langzeitbeschäftigungslosigkeit ist ein persistentes Phänomen am österreichischen Arbeitsmarkt, denn 2023 waren 75.000 oder 28 % aller Arbeitslosen langzeitbeschäftigungslose Arbeitslose.
„In ganz Österreich existiert ein etabliertes Modell von Sozialen Unternehmen, die mit Beratung, Qualifizierung und vorübergehender Beschäftigung langzeitarbeitslose Menschen beim beruflichen (Wieder-)Einstieg unterstützen. Soziale Unternehmen haben seit knapp 40 Jahren die Expertise und sie werden gebraucht: Mit der bislang existierenden Förderung konnten im letzten Jahr durchschnittlich 25.000 Menschen eine vorübergehende Beschäftigung erhalten und 200.000 Beratungen durchgeführt werden. Ein Jahr nach Ende der Teilnahme waren über 35 % der Menschen erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert,“ so beschreibt Manuela Vollmann, Vorstandsvorsitzende von arbeit plus, das Erfolgsmodell der Sozialen Unternehmen.
Mit dem Begriff der „Langzeitbeschäftigungslosigkeit“ misst das AMS, wie viele Menschen besonders arbeitsmarktfern sind. Es handelt sich dabei um Personen, die seit mehr als einem Jahr ohne nennenswerte Unterbrechungen beim AMS gemeldet sind. (2023 waren das 75.000 Personen, also 28% aller Arbeitslosen.) Das sind die Menschen, für die es das AMS und die Sozialen Unternehmen braucht, damit sie am Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen können. Hauptsächlich betroffen sind Ältere, Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen, Menschen mit Migrationshintergrund und solche, die maximal über einen Pflichtschulabschluss verfügen.
Soziale Unternehmen sind ein Booster für den Arbeitsmarkt
„Für die Sozialen Unternehmen bedeutet die gute Arbeitsmarktlage im letzten Jahr, dass viele arbeitsfähige Menschen vermittelt werden konnten und die Menschen, die sie heute betreuen, oft mit besonders vielen Herausforderungen konfrontiert sind: besonders Jugendliche vor dem Berufseintritt und Menschen mit psychischen Belastungen haben zugenommen“, erklärt Sabine Rehbichler, Geschäftsführerin von arbeit plus – Soziale Unternehmen Österreich, die aktuelle Situation.
„Allerdings könnte das Potenzial der Sozialen Unternehmen noch besser genutzt werden, denn die aktuelle Wirkungsmessung macht deutlich: die Klient:innen der SU sind zunehmend psychisch und finanziell belastet – und benötigen entsprechend mehr Betreuung,“ so Sabine Rehbichler. „Außerdem haben die Sozialen Unternehmen neben dem sozialen auch einen ökonomischen und ökologischen Mehrwert: Sie sind wichtige Zulieferer, und Impulsgeber für die Wirtschaft, fördern die Eigenermächtigung und soziale Teilhabe der Menschen. Zudem tragen über 1/3 unserer Mitglieder durch ihre Expertise in der Kreislaufwirtschaft wesentlich zu Klimazielen bei. Aber statt bestehende Strukturen zu nutzen und auszubauen, stehen Soziale Unternehmen immer wieder vor finanzieller Unsicherheit und werden von Kürzungen bedroht.“
In einem Round Table Gespräch mit Vertretern aller Parteien haben die Vertreter:innen Sozialer Unternehmen von arbeit plus auf die prekäre finanzielle Lage aufmerksam gemacht und die Frage erörtert: Was ist Ihre bzw. die Strategie Ihrer Partei, für die nächste Legislaturperiode, um strukturelle Langzeitbeschäftigungslosigkeit zu reduzieren und welche Rolle spielen dabei Soziale Unternehmen?
Die Statements der politischen Vertreter:innen
Bettina Zopf (ÖVP):
„Langzeitarbeitslosigkeit ist ein Problem für all jene, die davon betroffen sind. Es ist immer auch abhängig von der Wirtschaftslage, was gerade gebraucht wird. Daher müssen wir Anreize setzen, dass Langzeitarbeitslose einen niederschwelligen Zugang zu Bildung und Qualifizierung erhalten und ihre Ausbildung in die richtige Richtung gelenkt wird. Da können Institutionen wie arbeit plus unterstützen – es ist ja auch in unserem Interesse, die dringend benötigten Fachkräfte zu finden. Die Aussage, dass Mittel gekürzt werden, möchte ich gerne richtigstellen: Nachdem wir uns vor Wahlen befinden, wird die neue Regierung entscheiden, wie die Mittel verteilt werden.“
Markus Koza (Grüne)
„Das beste Rezept gegen Langzeitarbeitslosigkeit ist Qualifizierung. Da denke ich, dass uns mit dem Schulungszuschlag neu ein wesentlicher Schritt gelungen ist: Wenn wir vom Fachkräftemangel reden, dann müssen wir den Menschen auch die Chance geben, Fachkräfte zu werden. Für ältere Arbeitslose wäre es attraktiv, den Menschen eine Perspektive bis zur Pension zu geben – ähnlich wie die Aktion 20.000 oder die Aktion Sprungbrett. Da waren einerseits Menschen in Sozialen Unternehmen beschäftigt – und andererseits in Wirtschaftsbetrieben, wo sie begleitet wurden. Diese Initiativen in irgendeiner Form weiterzuführen, halte ich für sehr vernünftige Maßnahmen.“
Dagmar Belakowitsch (FPÖ)
„Eine Arbeit zu haben bedeutet ja auch Sinn, Struktur und Teilhabe am sozialen Leben. Die Sozialen Unternehmen sind das Bindeglied zwischen Betroffenen, dem AMS und dem ersten Arbeitsmarkt. Es braucht Geduld und Fingerspitzengefühl, um zu schauen, was individuell möglich ist. Insgesamt bin ich der Meinung, dass ein Land wie Österreich es sich leisten kann, 30.000 Menschen, also die Hälfte der langzeitarbeitslosen Menschen, die es vielleicht allein nicht schaffen, mitzutragen.“
Gerald Loacker (NEOS):
„Die Zielgruppe der langzeitarbeitslosen Menschen ist eine diverse Zielgruppe. Wir sollten da genauer hinschauen und uns fragen: Warum ist der Anteil der langzeitarbeitslosen Menschen in Österreich höher als in anderen europäischen Ländern? – Bessere Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und längere Förderung für Soziale Unternehmen sind wichtige Hebel der Arbeitsmarktintegration.”
Sandra Breiteneder (SPÖ):
„Nicolas Schmit, der Europäische Spitzenkandidat, war gerade heute in Gramatneusiedl – er will ähnliche Jobprojekte in ganz Europa implementieren. Denn Langzeitarbeitslosigkeit ist kein individuelles Problem, es ist ein Problem für die Gesellschaft. Wir bewegen uns zwischen den Polen, dass einerseits Menschen 50+ nicht mehr zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden – und andere arbeiten sollen, auch wenn sie gesundheitlich angeschlagen sind. Deshalb: Wir brauchen einen zweiten Arbeitsmarkt, wir brauchen Projekte und Strukturen, die nachhaltig bestehen und Projekte, wie zB. einen Fahrtendienst in Ebensee, Postpartner in den Regionen oder Sozialcafés in kleinen Gemeinden, die Arbeitsmarktpolitik, Sozialpolitik und Regionalpolitik vereinen.“
Längere Förderdauern und ausreichende Finanzierung notwendig
Alle Diskutant:innen sind sich einig, dass Soziale Unternehmen ein wichtiger Bestandteil der Arbeitsmarktpolitik sind. In der Diskussion ging es daher stark um Inhalte, um den arbeitsmarktpolitischen Beitrag der Sozialen Unternehmen und was es braucht, um diesen noch stärker leisten zu können. Zum Abschluss überreichen Manuela Vollmann und Sabine Rehbichler ein Positionspapier mit den Forderungen der Sozialen Unternehmen für eine kommende Regierungsperiode: „Wir fordern eine ressortübergreifende, längerfristige Finanzierung von Sozialen Unternehmen bei der alle Instrumente, wie die öffentliche Vergabe und Wirtschaftsförderungen systematisch zum Einsatz kommen. In diesem Sinne wollen wir gemeinsam Zukunft gestalten – dazu gehört es auch, Arbeit vorübergehend zu finanzieren,“ bringt Manuela Vollmann das gemeinsame Anliegen noch einmal auf den Punkt. „Wir von arbeit plus werden jedenfalls dranbleiben, und stehen mit unserer Expertise gerne für weiteren Austausch und Inputs zur Verfügung!“
Eine Aufzeichnung des Gesprächs können wir Ihnen auf Anfrage bei office@arbeitplus.at gerne zusenden.